Weberinnen stoppen Marmorabbau in West-Timor, Indonesien

In den Bergen von West-Timor herrscht eine reiche Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren. Hier entspringen die wichtigsten Flüsse für die Trinkwasserversorgung und die Bewässerungssysteme der indigenen Mollo. Den Einheimischen ist die Region heilig, aus der sie seit Generationen Nahrung, pflanzliche Medizin und natürliche Farbstoffe für ihre traditionelle Weberei beziehen. Ohne sie zu fragen, hat die Bezirksregierung in den 1980er Jahren ausländischen Firmen die Genehmigung erteilt, Marmor aus den Bergen zu hauen. Die Folgen sind dramatisch: Abholzung, Erdrutsche und Gewässerverschmutzung.

Eines Tages beginnen sich die Mollos zu wehren, angeführt von Aleta Baun. Sie geht von Dorf zu Dorf und organisiert die ersten Proteste. Die Frauen stehen immer in der vordersten Reihe, Aleta am Megafon. Später tragen sie ihre Webrahmen zu den Steinbrüchen und setzen sich dort zur Arbeit hin. Es ist eine besondere Form des Widerstands, den Aleta Baun und die Mollo-Frauen bei ihrem stillen Kampf anwenden: «Wir wollen daran erinnern, dass wir von der Natur leben und sie respektieren sollten. Wir bekommen unsere Kleider von der Natur. Wir sollten sie schützen, sonst sind wir nackt.» Rund ein Jahr lang sind ständig webende Frauen rund um die Steinbrüche präsent, während sich ihre Männer um die Hausarbeit und die Kinderbetreuung kümmern. Die Aktion erzeugt immer mehr Aufmerksamkeit. Schliesslich wird der Druck so gross, dass sich bis 2010 alle Minenfirmen zurückziehen. Mit ein Grund dafür ist, dass ihre Abbaubewilligungen einer öffentlichen Überprüfung nicht standhalten würden.

Aleta Baun erhält 2013 den renommierten Goldman-Preis für Umweltschutz. Ihr Engagement begründet sie mit den Worten: «Ich war verletzt und wütend.» Inzwischen berät Mama Aleta, wie sie genannt wird, andere indigene Gemeinschaften in West-Timor, die sich ebenfalls gegen die Umweltzerstörung wehren wollen.

Die Grüne Intifada kultiviert den Widerstand in Palastinä

Murad Alkhuffash, Gründer der Marda-Farm, baut in Palästina eine neue Form von gewaltlosem Widerstand auf. Gegenüber dem TV-Sender Al-Jazeera hat er sich wie folgt erklärt: «Wenn die Leute ihr eigenes Essen anbauen können, sind sie nicht mehr abhängig von den Importen aus Israel. Das ist Widerstand gegen die Besetzung.» Alkhuffash ist ein Vertreter der Permakultur, einer Bio-Szene, die von manchen die Grüne Intifada genannt wird. Permakultur ist eine Abkürzung für den englischen Begriff «permanent agriculture» — dauerhafte Landwirtschaft. In Modellprojekten wie den Farmen in Marda oder Bustan Qaraaqa nahe Jerusalem lernen Einheimische und interessierte Ausländer, wie sie trotz der erschwerten politischen und klimatischen Bedingungen auf kleinem Raum ergiebige Gärten anlegen können.

In den palästinensischen Siedlungen im Westjordanland ist die traditionelle Landwirtschaft stark eingeschränkt, weil die israelische Behörde das Wasser kontrolliert und Ländereien konfisziert oder sperrt. Die Permakultur, glaubt Murad, sei nicht nur Widerstand gegen die Unterdrückung, sondern auch eine Philosophie des harmonischen Zusammenlebens von Mensch und Natur und damit aktive Friedensarbeit. Den Zaun aus alten Pneus, der sein Feld gegen die Wildschweine schützt, haben Freiwillige aus Israel gebaut.

Immigrant outet Uranabbau-Pläne in Falea, Mali

Diese Geschichte beginnt in Europa, spielt aber in Afrika. Ein nicht namentlich bekannter Immigrant googelt in Frankreich seinen Heimatort in Falea, einer abgelegenen Region im südlichen Mali. Dabei stösst er auf die kanadische Firma Rockgate Capital (heute Denison Mines), die auf die Suche nach Uran spezialisiert ist — und in Falea offenbar Probebohrungen vornimmt. Abklärungen ergeben, dass weder die Firma noch die Regierung es für nötig befunden haben, den rund 15 000 Einwohnern zu erklären, wozu man auf ihren Feldern Bohrtürme aufstellt. Das ist typisch für die Explorationsbranche: Die vermeintliche Beschränktheit der einfachen Bauern wird ausgenutzt, um Tatsachen zu schaffen. Wenn man fündig wird, verkauft man das Projekt einem Bergbaukonzern, der Entwicklungsprojekte verspricht und sich mit Geld die Zustimmung regionaler Entscheidungsträger sichert.

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In Falea scheint die Rechnung nicht aufzugehen. Eine Allianz von Einheimischen und Supportgruppen im Ausland hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bevölkerung aufzuklären. Eine Radiostation wurde aufgebaut, ein Film über die traurigen Folgen des Uranabbaus im benachbarten Niger gezeigt und sogar eine kritische Uran-Konferenz in der Hauptstadt Bamako durchgeführt. Mit konkreten Hilfsprojekten wie der Finanzierung eines Transport- und Ambulanzjeeps sowie der Förderung von nachhaltigen lokalen Wirtschaftsaktivitäten wird gezeigt, dass auch eine Zukunft ohne Uranabbau möglich ist.

Hilfreich ist, dass der Preis für Uran inzwischen stark gesunken ist. Ob dies oder der lokale Widerstand der Grund ist, dass von der Minenfirma schon länger niemand mehr in Falea aufgekreuzt ist, bleibt offen.

Die Mahan-Bewegung und Greenpeace retten (vorerst) das indische Dorf Amelia

Anfang Oktober 2014 erhält Radio Sangharsh einen Anruf von Virendra Kumar Singh. Sie steht mit ihrem Mobiltelefon auf dem Dorfplatz von Amelia und erzählt, dass sich 2000 Mitglieder der Vereinigung für Mahan (Mahan Sangharsh Samiti) versammelt hätten, um einen Enscheid des Obersten Gerichts in Delhi zu feiern. Dieses hat soeben 214 Kohleabbaukonzessionen für ungültig erklärt — darunter auch jene im Mahan-Wald, für die das Dorf Amelia hätte verschwinden müssen. In Amelia und den umliegenden Dörfern gefährdet das Kohleminenprojekt der indischen Konzerne Essar und Hindalco die Existenz von mehr als 14 000 Menschen. Jetzt erhält Mahan Sangharsh Samiti zumindest eine Verschnaufpause.

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Indische Regierungsbeamte und Konzernvertreter tun sich seit je schwer, die Rechte der Bewohner der Waldgebiete zu anerkennen. Nach jahrelangem Druck verschiedener Bewegungen gibt es seit 2006 immerhin ein neues Waldrechtsgesetz. Danach muss die Gram Sabha genannte Dorfversammlung konsultiert werden, wenn ihr Wald für industrielle Zwecke genutzt oder gar abgeholzt werden soll. Besonders schwierig ist die Konsultation in einem Dorf wie Amelia, wo die Bewohner gegen eine klägliche Entschädigung ihre eigene Umsiedlung ins Unbekannte beschliessen sollten. Im Online-Archiv von Radio Sangharsh kann nachgelesen und gehört werden, wie mit Stimmenkauf, Manipulation, Einschüchterung, Kriminalisierung und zuletzt mit einer plumpen Fälschung versucht wurde, die «Zustimmung» zur Kohlemine zu erzwingen. Bisher erfolglos. «Wir leben hier, sind seit Generationen vom Wald abhängig und haben deshalb das Recht, zu bestimmen, was mit ihm geschieht», macht die Dorfbewohnerin Anita Kushwaha klar.

Dass die Stimmen von Virendra, Anita und ihren Mitstreitern inzwischen auch in Delhi beim Obersten Gericht und weltweit über das Internet gehört werden, ist unter anderem der Zusammenarbeit mit Greenpeace Indien zu verdanken, etwa mit Radio Sangharsh, das über Mobiltelefone funktioniert und es ermöglicht, Beschwerden über lokale Missstände öffentlich zu machen. Die Unterstützungskampagne von Greenpeace umfasst auch Rechtshilfe, Banner und Aktionen vor Ministerien. Eine Petition ist von mehr als einer Million Menschen unterzeichnet worden.

Wegen dieser Aktivitäten ist Greenpeace nun selber unter Druck geraten und mit Klagen der Energiefirma Essar sowie Verleumdungen durch Politiker und den indischen Geheimdienst konfrontiert. Die neue Regierung von Premierminister Narendra Modi bemüht sich, die blockierten Kohleminenprojekte schnell wieder in Gang zu bringen. Auch das neue Waldrechtsgesetz könnte wieder ausgesetzt oder zumindest abgeschwächt werden. Die Bewohner des Mahan-Waldes haben allen Grund, auf der Hut zu bleiben.

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Ein Discjockey nimmt es in Malaysia mit dem Gouverneur von Sarawak auf

Die Regierung der malaysischen Provinz Sarawak hat Peter John Jaban zu ihrem grössten Feind erklärt. Seinen Platz zuoberst auf der Abschussliste kommentiert Jaban auf der Website von Reporter ohne Grenzen sarkastisch: «Ich schätze diese Ehre sehr, nicht zuletzt deshalb, weil mir diese Form von Prominenz nützlich sein könnte, wenn man mich verhaftet.» Der Discjockey mit den Tattoos auf dem Oberkörper und dem schelmischen Lächeln ist zum direkten Gegenspieler von Gouverneur Taib Mahmud geworden. Dieser regiert die Region Sarawak ununterbrochen seit 1981 und ist verantwortlich für die Zerstörung des Regenwalds sowie die Vertreibung der indigenen Bevölkerung. Laut Recherchen des Bruno-Manser-Fonds soll er ein Vermögen von 15 Milliarden Dollar angehäuft haben.

Seit vier Jahren sendet Jaban über Radio Free Sarawak jeden Abend unzensierte Nachrichten in die abgeschiedensten Dörfer. Weil in Sarawaks Lokalmedien jede kritische Information unterdrückt wird, sind die Kurzwellenfrequenz 15 420 kHz und die Website sarawakreport.org zur ersten Referenz für alle geworden, die sich gegen Abholzung, Umweltzerstörung und Korruption wehren. Es hat sich auch schon ein indigener Häuptling per Mobiltelefon direkt im Londoner Studio gemeldet. Auf Initiative der erfahrenen Investigativjournalistin Clare Rewcastle Brown und aus Sicherheitsgründen haben die Betreiber das Kurzwellen-Piratenradio im Exil aufgebaut. Als Schwägerin des ehemaligen Premierministers Gordon Brown verfügt sie über ein weit reichendes Beziehungsnetz.

Jaban ist seit 2012 wieder zurück in Sarawak, weil er das Heimweh nicht mehr ausgehalten hat. Trotz aller Gefahr macht er weiter und berichtet etwa von der Blockadeaktion gegen das Baram-Staudammprojekt, mit dem 20 000 Menschen vertrieben würden. Es wäre ein Skandal, wenn Jaban etwas zustossen sollte — vielleicht einer zu viel für Gouverneur Taib: Seine Geschäfte werden international zunehmend kritisch unter die Lupe genommen und zu Hause folgen immer mehr Leute dem Beispiel des Discjockeys und wagen sich, ihre Stimme zu erheben.

Hier kann man sich kostenlos alle Sendungen vom Radio Sarawak erneut anhören.

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Ghanaer machen mobil gegen den Gentech-Riesen Monsanto

«Wir werden sehr viel Krach schlagen, falls sie damit weitermachen.» Der Reggae-Musiker Blakk Rasta gibt bei Sahara-TV zu verstehen, dass es ihm ernst ist: «Falls nötig, werden wir auch spirituelle Mittel einsetzen.» Still und heimlich hat das Parlament von Ghana versucht, ein Pflanzenzüchter-Gesetz zu verabschieden — nach seinem Hauptprofiteur auch bekannt als Monsanto-Gesetz. Eine Wikileaks-Depesche von 2010 zeigt, wie die US-Botschaft daran arbeitet, den afrikanischen Markt für Gentech-Saatgut zu öffnen. Afrika ist für Saatgut-Multis wie Monsanto oder Syngenta ein Territorium, das mit den neuen Grossplantagen zunehmend interessant wird. Doch dafür braucht es passende Gesetze.

«Das ist eine Wiederkolonialisierung — nur noch schlimmer als früher: Die wollen uns vorschreiben, was wir zu essen haben», empört sich Ali-Masmadi von Food Sovereignty Ghana. Bei dieser Gruppe laufen die Fäden einer Anti-Gentech-Kampagne zusammen, die das Parlament in Accra immerhin dazu gebracht hat, das Gesetz erst einmal auf die lange Bank zu schieben.

Blakk Rasta und seine Rastafaris mit ihren aufwändig gestalteten Monstertomaten-Postern sind nur ein kleiner Teil einer breiten Koalition: Dazu gehören auch die prominente Oppositionspolitikerin Samia Nkrumah, Tochter des verstorbenen Unabhängigkeitsführers Kwame Nkrumah, verschiedene Bauernverbände, traditionelle Häuptlinge und diverse religiöse Dachorganisationen von Christen und Muslimen. Die lokale Dynamik ist einzigartig, das Thema global: Food Sovereignty Ghana hat für den 24. Mai zu einem Protest in der Hauptstadt Accra aufgerufen, als Teil des weltweiten «March against Monsanto» an weltweit 400 Orten in 52 Ländern.